Nach fast zehnjähriger Pause habe ich im Sommer 2012 wieder mit dem Reiten angefangen. Schnell war klar wie sehr ich die Pferde und den Umgang mit ihnen vermisst hatte, ich hatte eine Reitbeteiligung auf einem tollen Hof mit ganz tollen Menschen gefunden. Dennoch war für mich immer klar dass ich kein eigenes Pferd wollte, ich war vollkommen glücklich mit Bandito, meiner Reitbeteiligung.
Bei uns auf dem Hof stehen nur Privatpferde und immer mal wieder junge Pferde zum einreiten oder auch schwierige Pferde die von den Vorbesitzern an den Händler, mit dem unsere Hofbesitzerin zusammen arbeitet, abgegeben worden waren. So kam im Januar 2013 auch All in One zu uns, ein damals 12jähriger Trakehner, der einfach nur ätzend war. Er giftete nach allem, war abweisend und hatte kein Interesse an Menschen oder anderen Pferden. Unter dem Reiter lief er gut und war einigermaßen brav, zudem top ausgebildet, er war jahrelang erfolgreich Vielseitigkeit bis L gelaufen. Jetzt war er abgemagert und hatte null Kondition oder Muskeln, wir wussten nur dass ihn zuvor ein 13jähriger Junge geritten war bei dem er nur durchgegangen ist.
Ich fand dieses Pferd absolut furchtbar.
Wie es das Schicksal so will, kam ich eines Freitags Anfang März auf den Hof, wollte reiten, und Bandito stand sediert in seiner Box, Tierarzt war grad da, er hatte sich irgendwie in der Box festgelegt und den Kiefer aufgeschnitten. Silke, unsere Hofbesitzerin, bat mich daraufhin den Trakehner zu reiten, er hätte zu wenig Bewegung. Ich habe mich zunächst geweigert, weil ich dieses Pferd einfach nicht mochte und es schon gar nicht reiten wollte, dann tat er mir aber irgendwie auch leid.
Beim putzen und satteln stand er apathisch und gelangweilt rum, er war gut erzogen, machte keine Faxen, strahlte aber auch einfach nichts aus. Beim reiten erlebte ich dann eine riesengroße Überraschung. Schon nach wenigen Schritten auf seinem Rücken hatte ich das Gefühl “angekommen zu sein”. Noch nie hatte ich solch ein Gefühl wenn ich das erste Mal auf einem Pferd saß. Und er lief wirklich wunderbar. Beim absatteln sah er mich irgendwann an und prustete mir ins Gesicht. Gleich darauf wand er sich wieder ab und tat so als ob ich nicht existierte.
Mit diesem Tag fing es an… ich bin All in One draufhin mehrmals die Woche geritten, aber irgendwann waren Käufer da. Die ersten. Kurz drauf waren wieder welche da. Und ich find an mit meinen Eltern zu verhandeln. Aber Nein, ich hatte einfach kein Geld für ein Pferd, schon gar nicht für einen reinrassigen Trakehner der jahrelang Turniere gelaufen war und dementsprechend auch kostete. Es kam der Tag an dem Silke mit mitteilte dass All in One so gut wie verkauft sei und nach Hamburg gehen würde. Kurz entschlossen habe ich sie gebeten mit den Besitzern zu sprechen und nochmals zu versuchen diese runter zu handeln. Sie tat es, und ich habe zugesagt. Und plötzlich hatte ich ein Pferd.
Dieser Tag ist nun 15 Monate her. In dieser Zeit haben All in One (Allan, wie wir ihn dann kurz nannten) und ich soviel durchgemacht. Es fing mit kaputten Hufen an, er ist jahrelang falsch beschlagen worden, es hielten keine Eisen mehr, ohne Eisen konnte er nicht laufen, teilweise hatte ich dreimal die Woche den Hufschmied da. Dann kam Pilz, dann stellte sich raus dass die Zähne wohl nie gemacht worden waren, er hatte einen Einschuss und lahmte wochenlang. Die ersten 4 Monate nach dem Kauf im April konnte ich ihn im Endeffekt gar nicht reiten. Er nahm kaum zu, Muskelaufbau war entsprechend auch nicht möglich. Dennoch veränderte er sich. Dadurch dass wir nicht reiten konnten hatten wir die Chance uns wirklich kennen zu lernen, Wir haben lange Spaziergänge gemacht, Bodenarbeit, Horsemanship, longieren… Allan veränderte sich mehr und mehr, er wurde zutraulich, erkannte mich, reagierte auf meine Stimme, legte das abweisende Verhalten nach und nach vollkommen ab.
Im Dezember kurz vor Weihnachten hatte er dann eine Kolik, Darmverschlingung. Wir haben ihn nachts in eine Klinik gefahren, dort sagte man mir sofort dass es wohl ohne OP nicht gehen wird. Zum Glück ist er OP-versichert, dennoch…. so eine Op ist immer ein großes Risiko. Und er hat es ohne geschafft – wie auch immer. 5 Tage Klinik, Kosten in ziemlicher Höhe, aber er hat es geschafft. Leider hat er dadurch alles was ich an bißchen Fett raufbekommen hatte wieder verloren – es ging wieder von vorne los. Im Januar kam das nächste, wieder Einschuss, drei Wochen hat er stark gelahmt, dazu die Kosten, immer wieder, für Tierarzt, Hufschmied, ich wusste einfach nicht mehr weiter. War vollkommen verzweifelt und habe nächtelang geweint. Hatte das Gefühl dass nichts etwas bringt, ich hatte keine Kraft und kein Geld mehr. Habe mir dann einen Stall angesehen die ihn übernommen hätten, hätte ich Anfang Februar einen Hänger gehabt wäre er wohl weg gewesen. Heute bin ich so dankbar dass es nicht der Fall war.
Im März hat er sich dann nochmal durch Prügelei aufm Paddock eine tiefe Schnittwunde zugezogen, aber seitdem geht es bergauf. Nach monatelangem Training haben wir nun auch endlich einen passenden Sattel gefunden. Ich habe vier mal die Sattlerin da gehabt, er war einfach zu sehr runter, keine Muskeln, hinzu kommen ein sehr hoher Widerrist und ungünstige Sattellage.
Es war das erste Jahr, wie ich so oft gehört habe. Ich weiß nicht was dieses Pferd bei dem Vorbesitzer ausstehen musste und wie er da behandelt worden sein muss. Aber ich kann sagen, dass dieses Pferd nicht mehr wieder zu erkennen ist. Er ist nicht mehr das Pferd dass er vor 15 Monaten war. Er ist aufgeblüht, anhänglich, hat mittlerweile eine gute Figur und Muskeln. Es hat uns so viel Zeit und Mühe gekostet, und ich danke meine Eltern immer wieder, ohne diese hätte ich es finanziell nie geschafft. Aber wenn ich jetzt sehe wie mir dieses Pferd entgegen brummt und hinter mir her läuft, wie er seinen Kopf auf meine Schulter legt und mir nahezu grenzenlos vertraut, dann weiß ich wofür man sowas alles tut. Tiere sind einfach unendlich dankbar und lieben einen so wie man ist. Und sie wissen was man für sie getan hat.
Und was hat man bekommen? Alles in Einem. Und ich werde es nie wieder hergeben!
von Birte